Wien ist die Stadt der prächtigen Fahrstühle. Allerdings verschwinden sie nach und nach aus dem Stadtbild. Christian Tauß hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese kulturellen Schätze zu bewahren. Ein Gespräch über die Schwierigkeiten und Erfolge beim Erhalt historischer Aufzugsanlagen. Und die Absicht, ein Wiener Aufzugmuseum als sozialen Begegnungsraum zu eröffnen.
Senkrechtstarter: Herr Tauß, Aufzüge zu sammeln ist ein seltenes und aufwändiges Hobby. Wie sind Sie dazu gekommen?
Christian Tauß: Das hat eigentlich schon ganz früh in meiner Kindheit begonnen. Ich bin in einem Haus mit einem 80er-Jahre-Fahrstuhl aufgewachsen. Das war kein besonderes Modell, aber die ganzen leuchtenden Drucktasten haben mich wahnsinnig fasziniert. Und auch der Schacht hat mich magisch angezogen. Ich habe immer versucht, durch die Spalten hineinzuspähen. Eines Tages hatte ich dann Glück, und der Hausmeister hat mir den Maschinenraum gezeigt und die Beleuchtung im Schacht angemacht. Damit fing es an.
Wollten Sie dann gleich Aufzugmechaniker werden?
Nicht ganz. Aber elektrische Schaltungen haben mich immer sehr interessiert. Nur wollte ich mich auch mit etwas Mechanischem, wie etwa einem Aufzug beschäftigen. Also habe ich mich für Elektrotechnik entschieden. Um dann doch in einem Elektroinstallationsbetrieb zu landen. Allerdings hat mich meine Arbeit in viele private Häuser geführt, und da bin ich dann auch meinem ersten historischen Aufzug begegnet.
War der noch in Betrieb?
Nein, der hing in Höhe der 2. Etage fest. Er war mehr als 100 Jahre alt, und durch Gespräche mit den Bewohnern war es mir möglich, einen Blick in den Maschinenraum zu werfen. Der war noch original erhalten und hat meine alte Leidenschaft neu entfacht. Mein Schlüsselerlebnis kam jedoch später.
Wann war das?
Im Jahr 2009. Damals begegnete ich einer Anlage von 1907, die noch in Betrieb war. Sie hatte noch diese alte Schubknopfsteuerung, bei der Eisenstifte für die Etagen einen elektrischen Kreislauf schließen und den Aufzug in Bewegung setzen. Auf der Etage befinden sich dann Holzschleifbügel, welche die Stifte zurückschieben, den Kreislauf unterbrechen und die Kabine stoppen. Eine mechanische Steuerung, die einfach und trotzdem unverwüstlich ist. In der Folge begab ich mich auf die Suche nach alten Aufzügen um sie zu fotografieren und so zu bewahren.
Fundorte jenseits der glamourösen Adressen
An ein Aufzugsmuseum dachten Sie damals noch nicht?
Damals dachte ich eher: Wenn ich einmal ein eigenes Haus habe, möchte ich darin so einen Aufzug einbauen.
Wo fanden Sie weitere Aufzüge? Die Ringstraße gehört ja zum Beispiel zu den Adressen, wo die ersten Wiener Aufzüge installiert wurden …
Ja, aber in den schicken Palais der Ringstraße ging man ja nicht nur damals mit der Zeit, sondern auch später. Hier wurden die Anlagen relativ zügig durch moderne ersetzt oder stilgerecht saniert. Stilgerecht heißt, dass die Optik erhalten bleibt, der Antrieb aber erneuert und dem Stand der Technik angepasst wird. Mich interessierten jedoch mehr die auch technisch originalen Aufzüge. Fündig wurde ich eher in Bezirken, die eine großbürgerliche Vergangenheit haben, sich im Lauf der Zeit aber gewandelt haben. Wo also das Geld fehlte, um die alte durch moderne Technik zu ersetzten. Zum Beispiel im 5., 6., 9., und Teilen des 4. Bezirks. Ich habe nach Häusern Ausschau gehalten, die nach nobler Vergangenheit aussahen, aber schlecht instand gehalten wurden.
Wie und wann entstand dann der Gedanke für ein Museum?
Das war 2011. Beim Fotografieren in einem Stiegenhaus kam ich mit einer Frau ins Gespräch. Wie sich herausstellte, war sie die Eigentümerin und erzählte mir, dass der Aufzug bald herausgerissen werden sollte. Das war ein Schock für mich, dass so ein schönes Stück Wiener Stadtgeschichte einfach so verschwinden sollte. Ich kam dann mit ihr überein, dass ich beim Ausbau dabei sein würde. So erfuhr ich, wie man einen Aufzug zerlegt und so beschriftet, dass er sich wieder zusammenbauen lässt. Und ich erhielt mein erstes Exponat.
Ein äußerst sperriges. Wo bewahren Sie ihre Ausstellungsstücke derzeit auf?
Momentan lagern die Kabinen samt Antrieb in einer Boots- und Caravan-Halle außerhalb Wiens. Dort gibt es die nötige Infrastruktur wie etwa einen Gabelstapler. Und ich konnte sie alle hübsch aufgereiht in einem Hochregal lagern.
Wie viele sind es inzwischen?
Zehn Kabinen samt Eisenrahmen und Teilen der Führungsschienen, damit wir sie wieder aufbauen können. Und natürliche die original Antriebe, die beim Ausbau und Transport häufig die größten Probleme bereiten. Die sind verflixt massiv und entsprechend schwer und lassen sich nach 100 Jahren meist nicht mehr vollständig demontieren. Manchmal hilft da nur noch ein beherzter Schnitt an der richtigen Stelle.
Wer ist wir?
Eine kleines Museumsteam, das aus lauter Freunden besteht. Auch ein kleines, Zwei-Mann-Aufzugsunternehmen ist dabei, mit dem wir ebenfalls auf freundschaftlicher Basis zusammenarbeiten. Dadurch können wir einen kostenlosen Ausbau gegen Übernahme der Kabine und der Technik anbieten.
Wiener Aufzugmuseum – Wohlfühlräume im Treppenhaus
Aus welcher Zeit stammen die Aufzüge?
Unser Schwerpunkt liegt in der Zeit bis 1914, also der ersten Blütezeit der Wiener Fahrstühle. Der Erste Weltkrieg hat dann die weitere Ausbreitung der Technik verhindert. Aus der Zwischenkriegszeit haben wir nur ein Modell, denn die sind sehr rar. Das besondere an diesen ganz frühen Modellen ist, dass sie als Wohlfühlräume gestaltet sind. Wie kleine Salons oder herrschaftliche Kutschen. Geschliffene Gläser, edle Hölzer, schimmernde Beschläge, Sitzbänke und mit luxuriösen Stoffen bezogene Polster. Die Hersteller wollten den Fahrgästen so die Furcht vor der damals neuen Technik nehmen. Bei heutigen gebürsteten Stahloberflächen geht es ja eher um hygienische Aspekte und die Vermittlung von Dynamik.
Kann man vorbeikommen und sich die Fahrstühle anschauen?
Leider noch nicht. Aber zum Tag des Denkmals am 30. September haben Interessierte die Gelegenheit, in Baden, einem Ort im Umland von Wien, eine historische Aufzugsanlage in Betrieb zu erleben. In dem Kurort gibt es viele alte Hotels und Villen. Meine Mitstreiter und ich sind durch einen Tipp auf die Gemeinde aufmerksam geworden. In einem Privathaus hat es uns die Eigentümerin ermöglicht, eine Anlage von 1901 wieder herzurichten. Dafür haben wir sie einen Monat lang zwei Tage die Woche, gereinigt, geschmiert und geprüft. Eigentlich wollte die Dame die Anlage loswerden und hat sie uns auch gleich angeboten. Aber nachdem die Hausbewohner und auch selbst Gelegenheit zu einer Probefahrt hatten, sieht es jetzt so aus, als könnten wir den Fahrstuhl künftig einmal pro Monat vorführen. Wer vorbeikommen will, findet hierzu bald alle Infos auf meinem Blog.
Gibt es noch weitere Pläne?
Oh ja! Seit Anfang des Jahres restauriere ich die erste Aufzugskabine, dafür habe ich extra einen Kurs besucht. Drei will ich bis Ende des Jahres fertig haben. Und im nächsten Jahr suche ich dann ein Objekt in der Wiener Innenstadt für ein Café. Da sollen die Besucher dann die Gelegenheit haben, sich in die Kabinen zu setzen und miteinander Gespräche zu führen. Ein steriles Museum mit Erklärtafeln und so würde meiner Ansicht nach nicht der sozialen Dimension der Fahrstühle gerecht. Stiegenhäuser und Aufzüge waren immer auch Begegnungsräume, in denen Menschen miteinander ins Gespräch kamen. Solch einen Ort möchte ich schaffen. Mit gutem Kaffee und entspannter Atmosphäre.
Bildband gegen das Vergessen
Das ist sehr wienerisch…
Tatsächlich orientiere ich mich dabei eher an Berlin. Diese kleinen Röstereien mit Café, die es da jetzt gibt. Mit nachhaltigen und qualitativ-hochwertigen Produkten, so etwas schwebt mir vor.
Ach. Das verblüfft. Und das bei Wiens legendärer Kaffeehaus-Kultur.
Tradition: ja. Aber die Qualität hat sich lange nicht weiterentwickelt. Hier lernen wir gerade von anderen Orten, wie Berlin oder Skandinavien.
Ihre Fotos wurden kürzlich in dem Bildband “Auf und Ab. Eine Kulturgeschichte des Aufzugs in Wien” veröffentlicht. Er entstand in Zusammenarbeit mit dem Wiener Historiker Peter Payer. Wie kam es dazu?
Ich hatte davon gehört, dass dem Technischen Museum Wien, in dem Herr Payer tätig ist, immer wieder Aufzüge angeboten wurden, aber aus Kapazitätsgründen ablehnen musste. Also verabredete ich mich mit ihm im Museumskaffee. Man sieht, Kaffee spielt eine große Rolle in dieser Geschichte (lacht). Nach etwa eineinhalb Jahren kam er dann mit der Buchidee auf mich zu und fragte, ob ich Bilder beisteuern möchte. Ich hatte ja schon viele Modell fotografiert, die inzwischen verschwunden waren. Das ergänzte sich ideal. Und die Zeit drängte, da mit der Novelle des Wiener Aufzugsgesetzes 2012 immer mehr Anlagen außer Betrieb gingen oder stilsaniert wurden. Inzwischen gibt es fast keine Altanlagen im Originalzustand mehr. Ich sagte also zu und erhielt so auch Zugang zu Aufzügen, die bisher für mich verschlossen geblieben waren. Das war für mich als Enthusiasten natürlich ein Traum!
Der Beitrag Interview: Christian Tauß und das Wiener Aufzugmuseum erschien zuerst auf Senkrechtstarter.