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Reine Philosophie – Umnutzung in Frankfurt

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Das ehemalige Philosophicum in Frankfurt spaltet die Geschmäcker. Das außenliegende Stahlskelett war seinerzeit in Novum in Europa. Und nicht wenige sehen in dem denkmalgeschützten Gebäude ein wichtiges bauhistorisches Erbe. Faktisch stand es aber lange Zeit ungenutzt und abgewirtschaftet herum. Nun haben Forster Architekten dem Bau mit neuer Philosophie neues Leben eingehaucht.

Maximal funktional: Das Philosophicum hatte seine besten Zeiten bereits hinter sich, als sich Forster Architekten seiner annahmen. Bild: Wikicommons/ Karsten Ratzke

Es gab Zeiten, da war das Schöne an sich verdächtig. „Ornament und Verbrechen“ so überschrieb Adolf Loos 1910 seinen Epoche prägenden Vortrag. Nützliche Dinge mit Ornamenten zu schmücken war für den österreichischen Architekten eine sinnlose, gar gefährliche Arbeit. Die höchste Form der Kunst verzichtet seiner Ansicht nach bewusst darauf. Das sollte man im Hinterkopf haben, wenn man Ferdinand Kramers Philosopicum in Frankfurt am Main betrachtet. Das nackte Stahlskelett, das die Fassade in gleichmäßige Felder rastert, die seitlichen Treppen aus Stahl. Maximale Funktionalität bei gleichzeitig vollständiger Abwesenheit einer romantisierenden Geste. Seht her, ich bin ein Haus, das einem Zweck dient. Nicht mehr und nicht weniger – scheint es zu sagen. Kaum Wunder. War es doch der Architekt Ferdinand Kramer, der Loos‘ Vortrag erstmals in Deutschland herausbrachte. Als glühender Fan und Epigone.

Sinnvolle Nutzung als Schlüssel zum Denkmalschutz

Nun gibt es aber in der Architektur auch noch andere Gesetzmäßigkeiten. Und eine davon hätte beinahe zum Niedergang des denkmalgeschützten Gebäudes geführt. Denn: Gebäude ohne Nutzer droht irgendwann zwangsläufig der Abriss. Und es wäre schon ein besonderer Fall von Ironie des Schicksals gewesen, wäre die funktionalistische Ikone Mangels Funktion verschwunden. Es ist anders gekommen. Doch der Reihe nach. Bereits 2001 zogen die ehemals hier beheimateten Institute auf den neuen Campus am Westend. Und die neue Eigentümerin wusste lange Zeit nicht, was sie mit der sperrigen Immobilie anfangen soll. Der städtischen Wohnungsbaugesellschaft schien eine Sanierung einfach zu kostspielig. Zumal das mit der Funktionalität so eine Sache ist. Im Sommer zu warm, im Winter zu kalt, war die schlanke Stahlkonstruktion eigentlich nie wirklich an den Bedürfnissen der Nutzer ausgerichtet.

Neue Philosophie der städtebaulichen Öffnung

 

 

Der Erweiterungsbau (grün) von Forster Architekten nimmt Kramers Gebäude die sperrige Unnahbarkeit. Gleichzeitig bindet er es in ein überzeugendes Gesamtkonzept ein. Grafiken: Forster Architekten

Die Lösung kam schließlich mit einem mutigen Gesamtkonzept. Nicht nur die papierdünnen Wände erhielten eine zeitgemäße Dämmung, auch die Integration in den Stadtraum wurde neu gedacht. Dazu planten Forster Architekten einen Ergänzungsbau, der sich mit fünf Etagen vor den neun des Altbaus erhebt. Die dadurch entstehende Staffelung hin zur Straßenfront gibt dem Areal eine Tiefenraum, der die Strenge Gliederung des Solitärs abmildert. Ohne ihn dabei jedoch zu kompromittieren. 238 Wohnung mit Flächen zwischen 21 und 54 Quadratmetern sind so entstanden. Also in einem Segment, dass durchaus noch als studentisch gelten kann. Wenn sich auch wohl nicht jeder Student Quadratmeterpreise um 20 Euro leisten kann. Immerhin: Der Bedarf ist da und Studenten als Nutzer sind ein beständiger Markt. Kompliment an den Denkmalschutz, dass er grünes Licht für eine sinnvolle Ergänzung des baulichen Erbes gegeben hat. Frankfurt scheint da ohnehin schon ein Stück weiter zu sein, als manch andere deutsche Stadt. Wir wünschen uns jedenfalls, dass The Flag Bockenheim zum Vorbild für den Denkmalschutz wird. Denn Architektur ist doch dann am schönsten, wenn sie auch nützlich ist.

Der Beitrag Reine Philosophie – Umnutzung in Frankfurt erschien zuerst auf Senkrechtstarter.


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