Manchmal hat es ja Vorteile, wenn ungesehen bleibt, was man getan hat. Zum Beispiel bei der Neuen Nationalgalerie: Die umfangreiche Sanierung von David Chipperfield Architects hat den Bau in seiner ganzen alten Pracht erhalten. Ohne Schnörkel und Gedöns. Und das tut gut.
Die Neue Nationalgalerie in Berlin gehört zu den elegantesten Bauten der Welt – sagen viele Leute, die etwas von Kunst und Architektur verstehen. Ludwig Mies van der Rohe hat den Bau entworfen: Es ist das einzige Gebäude, das van der Rohe in Europa gebaut hat. Nach seiner Emigration 1938 hat der ehemalige Direktor des Bauhaus in Dessau die Moderne in den USA vorangetrieben. Mit dem Seagram Building in New York City zum Beispiel, oder dem Langham-Gebäude in Chicago.
Eine Attraktion kommt in die Jahre
In Berlin öffnete die Neue Nationalgalerie 1968 ihre Pforten. Seitdem ist das Gebäude zum Publikumsmagneten geworden. Und in die Jahre gekommen: Die Haustechnik alterte, Scheiben barsten und Rost setzte sich in Bauelementen fest. Eine umfassende Sanierung stand an. Die To-Do-Liste der Stiftung Preußischer Kulturbesitz war lang: Instandsetzung aller konstruktiven Elemente, Restaurierung der sichtbaren Oberflächen, Erneuerung der technischen Anlagen sowie eine Verbesserung und Erweiterung der Servicebereiche.
Die Stiftung beauftragte 2012 das Büro David Chipperfield Architects mit der Sanierung. Chipperfield ist in den Berliner Kulturkreisen beileibe kein Unbekannter: Das Büro leitete bereits den Wiederaufbau des 2009 eröffneten Neuen Museums. Außerdem entwarf es die James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel, über die wir an dieser Stelle berichtet haben.
Umfassende Sanierung der Neuen Nationalgalerie
2015 wurde die Neue Nationalgalerie geschlossen und anschließend auf den Rohbau zurückgebaut. Dann begann im Januar 2018 die Sanierungsphase: Die Planer mussten rund 35.000 Originalbauteile sichern, restaurieren und lagern. Erst im Anschluss konnten die Sanierer die Gebäudesubstanz modernisieren und um zeitgemäße Infrastruktur ergänzen.
Neben der Betonsanierung stellte die Erneuerung der charakteristischen Stahl-Glas-Fassade die Planer vor Probleme: Weil seit den 1970er Jahren immer mehr Scheiben brachen oder barsten, mussten alle 56 Glasscheiben ausgetauscht werden. Das Problem: Für die 5,40 Meter hohen und 3,40 Meter breiten Scheiben fand sich weltweit nur ein einziger Hersteller, der in einem dem Originalverfahren ähnlichen Prozess fertigt: südlich von Peking. Deshalb dauerten Herstellung und Transport mit dem Frachtschiff sechs Monate.
Neue Akzente im Innenraum
Auch bei der Innenarchitektur mussten die Architekten improvisieren. Der graue Teppichboden im Untergeschoss war nicht mehr erhältlich. Doch zumindest konnte die bereits 1968 beteiligte Firma einen neuen Teppich aus einem Wolle-Polyester-Gemisch fertigen.
Die Sanierung der neuen Nationalgalerie überzeugt Kritiker und Auftraggeber gleichermaßen. „So viel Mies wie möglich – das war der selbstgestellte Auftrag, und wie grandios ist er umgesetzt worden!“, sagte Stiftungs-Präsident Hermann Parzinger. „Die Ästhetik der Ordnung wird wieder erlebbar. Das moderne Leichte und das klassisch Schwere harmonieren wieder auf phantastische Weise. Die Neue Nationalgalerie ist zurück, und sie wirkt, wie Mies sie erdacht hat.“
Nun fand Ende April 2021 die Schlüsselübergabe statt. Am 22. August wird das Haus mit einer neuen Sammlungspräsentation und einer Ausstellung zum Bildhauer Alexander Calder wiedereröffnet.
Der Beitrag Berlin: So kompliziert war die Sanierung der Neuen Nationalgalerie erschien zuerst auf Senkrechtstarter Blog.