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The sky ain’t the limit

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Bereits vor 60 Jahren entwarf der US-amerikanische Star-Architekt Frank Lloyd Wright einen Wolkenkratzer, der in die sagenhafte Höhe von einer Meile strebte – mit 1600 Metern wäre er fast doppelt so hoch gewesen, wie das aktuell höchste Gebäude der Welt, der Burj Khalifa. Doch der Mile High Illinois wurde nie gebaut, auch weil dem Architekten der vertikale Transport im Gebäude nicht gelingen wollte.

Die Villa Fallingwater ist eines der Hauptwerke des Architekten Frank Lloyd Wright. Foto: Sxenko/ Wikicommons

Wer an Frank Lloyd Wright denkt, der denkt in erster Linie an „Fallingwater„. Diese ikonische Villa schmiegt sich so elegant an den namensgebenden Wasserfall, dass das Gebäude zum Inbegriff der organischen Architektur wurde. Es wirkt, als sei es ganz natürlich an diesem Ort gewachsen. Dabei verzichtet es auf die üblichen runden und geschwungenen Formen, die andere Bauten mit der gleichen Absicht meist entschieden antimodern aussehen lassen. Fallingwater liegt in einem wilden und ursprünglichen Naturschutzpark außerhalb von Pittsburgh, eine Leuchtturmarchitektur an der Grenze zum nirgendwo. Doch der Architekt plante auch das genaue Gegenstück zu diesem eher kontemplativen Kleinod: Eine Megastruktur, die eine Meile hoch in den Himmel von Illinois ragen sollte.

528 Stockwerke mit 1,7 Millionen Quadratmetern

Der Wahnsinnsentwurf für den Mile High Illinois enthält so viele Superlative und Absurditäten, dass er die Architekturgemeinde bis heute fasziniert: Auf 528 Stockwerke verteile sich eine Nutzfläche von etwa 1,7 Millionen Quadratmetern. Genügend Raum, um bis zu 130 000 Menschen Obdach und Lebensraum zu bieten. Stellflächen für 15 000 Autos und 150 Helikopterlandeplätze waren geplant. Drei solcher Gebäude, so soll der Wright es einmal formuliert haben, würden ausreichen, um die „bösartige Wucherung“ New York endlich abreißen zu können. Nun ja.

Mile High Illinois im Größenvergleich. Screenshot: Vimeo

Glücklicherweise sah sich der Visionär aber mit einigen konstruktiven Schwierigkeiten konfrontiert. Zwar hätten die Stahlkonstruktionen der Zeit den Bau wohl getragen – allerdings hätte jedes Lüftchen das extrem flexible Material in Schwingung versetzt. An der Spitze des Turms hätten sich daher nur Personen mit einem äußerst stabilen Magen aufhalten können. Das Problem haben erst die Architekten des 101 in Taipei in den Griff bekommen, in dem sie ein massives Kontergewicht einbauten, das sowohl Erdstöße (das Gebäude steht in einem Sumpf in einem Erdbebengebiet!) als auch Windbewegungen ausgleicht.

Atomgetriebene Lifts

The sky ain’t the limit. Die eigentliche Krux war die vertikale Infrastruktur: Um die oberen Etagen mit Wasser und Strom zu versorgen, hätte es gigantischer Installationen bedurft. Und für die fehlte schlicht der Platz. Gleiches gilt für die Not- und Feuertreppen. Immerhin: Für den Transport der Menschen in die Senkrechte hatte Frank Lloyd Wright einen, wenn auch äußerst unorthodoxen, Vorschlag: Man nehme ein kleines bisschen Uran, einen handelsüblichen Reaktor und befördere Mann, Frau, Kind und Kegel mit nuklear betriebenen Fahrstühlen in den Himmel. Aber ach, für die kalkulierten 76 Atomlifts fehlte leider ebenfalls der Platz. Was kann man machen?

Sky Mile Tower Tokio

Fragen sich die Architekten bis heute: In diesem Jahr machte das amerikanische Architektenbüro Kohn Pederson Fox von sich reden, als es Pläne für den Sky Mile Tower Tokio vorstellte. Der soll bis 2045 Lebensraum für rund 55 000 Menschen schaffen, die Fassade soll Regenwasser filtern und aufbereiten. Ein bisschen Vision, ein bisschen Größenwahn und eine gehörige Portion Optimismus, das ist manchmal genau die Mischung, die den Fortschritt beflügelt. Und auch eine Antwort auf das leidige Transportproblem wollen die Architekten bereits haben: Die Lifte sollen die Passagiere nicht nur vertikal, sondern auch horizontal befördern. Das schaffe Platz, um die Menschenströme intelligent durch das Gebäude zu bugsieren, so die Theorie. Die Studie ist explizit auch dazu angelegt, um die Forschung an den notwendigen Technologien voranzutreiben.

Neue Demut in Saudi-Arabien

Derweil muss sich der spanische Stararchitekt Santiago Calatrava noch in Demut üben: Der als Mile High Tower geplante Jeddah Tower in Saudi-Arabien ist nach Prüfung des Untergrunds von 1600 Meter auf „nur“ 1007 Meter geschrumpft. Damit wird er den Burj Khalifa im benachbarten Dubai immer noch um 179 Meter überragen. Allerdings wird er bei seiner geplanten Fertigstellung im Jahr 2019 etwas mehr als die Länge des neuen One World Trade Centers unter der Meilen-Marke liegen. Schon bei dieser Höhe sind äußerst elaborierte Aufzugsysteme nötig – in diesem Fall die schnellsten der Welt. Sie überwinden bis zu zehn Höhenmeter in einer Sekunde und sind als Doppeldecker ausgelegt. Was mal wieder zeigt, dass man nicht allzu vorschnell die Atomkeule schwingen sollte, lieber Frank Lloyd Wright. Besser mal einen findigen Aufzugtechniker nach seiner Meinung fragen. Mehr Ansichten des Mile High Illinois gibt es übrigens in diesem Video der Plattform Vimeo.

 

Der Beitrag The sky ain’t the limit erschien zuerst auf Senkrechtstarter.


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