Darf man eine architektonische Ikone überbauen? Vielleicht muss man das sogar, wenn sie sonst keine Zukunft mehr hätte. Im niederländischen Eindhoven wagt sich jetzt die Powerhouse Company an die Ergänzung eines brutalistischen Vorzeigebaus.
Der Name ist so schlicht wie treffend: „De Bunker“ sieht aus wie ein… nun ja, Bunker. Dabei handelt es sich um einen Nachkriegsbau. Sein Architekt, Huig Maaskant, hat nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich am Wiederaufbau Rotterdams mitgewirkt. In Eindhoven entwarf er Ende der 1960er-Jahre ein Studentenzentrum für die ansässige Technische Universität. Der Stil: brutalistisch. Wuchtige Betonelemente bilden einen langgestreckten Flachbau, aus dem die Fensteröffnungen wie Schießscharten hervorlugen.
Roher Beton als Markenzeichen
Der Brutalismus, dessen Hauptmerkmale roher Beton und zur Schau gestellte Funktionalität sind, ist nicht jedermanns Sache. Aber nach dem Krieg galt er als architektonische Avantgarde. Der Säulenheilige Le Corbusier lieferte den theoretischen Überbau. Der Stil verbreitete sich eine Weile rasant um den Erdball, galt aber ebenso schnell wieder als überholt. Erst in neuerer Zeit wagt die Zunft eine Wiederannährung an das bauliche Erbe der Nachkriegszeit.
Es wird auch höchst Zeit. Denn die Betonkolosse sind anfällig für den Zahn der Zeit. So auch in Eindhoven: Flechte und Mose färben den bröckelnden Beton des „Bunkers“ grünlich, die Feuchtigkeit nagt an Fassade und Substanz. Das soll sich nun ändern: Das niederländische Architekturbüro Powerhouse Company, sowie die Vermarkter und Entwickler RED Company und Being Development haben gemeinsam einen von der Universität ausgelobten Wettbewerb zur Erhaltung und Ergänzung des Bunkers gewonnen. Ihr Beitrag sieht die Aufstockung des Gebäudes um 36 Stockwerke vor. Der Ursprungsbau wird dabei weitestgehend als Sockelgeschoss erhalten. Und der Entwurf sieht beinahe so aus, als ob das fast 50 Jahre alte Gebäude nun endlich fertiggebaut wird.
Puristen fürchten indes, dass Maaskants Bau durch die Ergänzung marginalisiert wird. Dagegen kann man allerdings einwenden, dass Architektur generell erst durch die Nutzung ein Bleiberecht im städtebaulichen Kontext erhält. Was nicht mehr funktioniert oder gefällt, darum kümmert sich niemand mehr, wird vergessen und verfällt. Bis schließlich der unausweichliche Abriss die Spuren für immer tilgt. Ist es da nicht besser, den Bestand den veränderten Bedürfnissen anzupassen und so der Nachwelt zu erhalten?
Fortführung des Brutalismus mit anderen Mitteln
Zumal Powerhouse Company deutlich Bezug auf die Formensprache des Brutalismus nimmt: In der sich verjüngenden Grundfläche des Turms spiegelt sich die geometrische Form des alten Eingangsgebäudes. Auch die lammellenartige Gliederung der Fassade mit den tiefliegenden Fenstern nimmt die Schießscharten-Optik des Originals wieder auf. Der rohe Beton freilich hat ausgedient: Die Visualisierungen zeigen die Fassade in frischem Weiß, Detailbilder lassen moderne Lochbleche für die Verkleidung erkennen. Im Sinne des Erfinders ist das sicherlich nicht. Sieht aber trotzdem gut aus. Und ist möglicherweise ein Weg, schwieriges bauliches Erbe auch jenseits restriktiven Denkmalschutzes zumindest in Teilen für die Nachwelt zu erhalten. Darüber sollten sich Stadtplaner und Architekten auch hierzulande ruhig mal Gedanken machen – gerade, weil Abriss und Neubau nicht immer die günstigste und sinnvollste Alternative ist.
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