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Fünf Fragen an das Wohnhochhaus der Zukunft

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In der vergangenen Woche fragte der Bauwelt Kongress 2017 in Berlin nach der Zukunft Wohnhochhaus? Architekten und Stadtplaner diskutierten zwei Tage darüber, wie das Wohnhochhaus der Zukunft aussehen könnte, das bezahlbaren Wohnraum und Durchmischung schafft, Segregation vermeidet, sich in den städtebaulichen Kontext einpasst, architektonisch höchsten Ansprüchen genügt usf. Doch gerade Architekten dürfen beim Wohnhochhaus der Zukunft relativ wenig mitreden. Warum? Eine Antwort in fünf Fragen.

Hat das Wohnhochhaus Zukunft?

Ja, es wird auch in Zukunft Wohnhochhäuser geben, aber sie werden nicht die Zukunft des innerstädtischen Wohnens darstellen. Auch wenn der Mensch gern in der Höhe wohnt. Er steht gern über den anderen, er steht gern über den Dingen. Aber so wie das Wohnen in der Höhe schon in der Vergangenheit ein Privileg war, das den Höhergestellten zuteil wurde, dem Adel in seinen hochherrschaftlichen Wohnsitzen, wird auch das Wohnhochhaus der Zukunft eines der Höhergestellten. Außerhalb des Luxussegments dürfte es schwer werden mit neuen Wohnhochhäusern, konstatierte der Münchner Architekt Markus Allmann: „Ein Wohnhochhaus mit sozialem Wohnungsbau ist ohne Subvention nicht zu erstellen.“

Nichts weniger als die Zukunft des Wohnhochhauses stand zur Debatte beim Bauwelt Kongress 2017.

Von welchem Wohnhochhaus reden wir eigentlich?

Nun, eigentlich von zwei Wohnhochhäusern. Der Soziologe Heinz Bude wies gleich zu Beginn des Kongresses darauf hin. Auf das Wohnhochhaus der 1970er Jahre, in denen die RAF-Terroristen ihre konspirativen Wohnungen mieteten, weil die Anonymität dort so hoch war wie die Entdeckungsgefahr niedrig. Und auf das Wohnhochhaus als Audruck einer neoliberalen Öffentlichkeit, in der sich die einzelnen Starken mit einem Appartement belohnen – über all den anderen, die nicht stark genug waren.

Das eine war ein Fehler, der auch nicht weniger schlimm wird, wenn man jetzt die Wohnblocks aus den 1960ern bunt anstreicht, wie Ole Scheeren feststellt. Das andere ist das Wohnhochhaus einer überwundenen Gegenwart – glaubt zumindest Heinz Bude. Denn angesichts globaler Probleme wie Klimawandel und Migration, an denen die Stärke des Einzelnen nichts zu ändern vermag, setze sich die Erkenntnis der wechselseitigen Abhängigkeit durch. Dieser Postneoliberalismus werde sich auch in der Architektur niederschlagen. Auch im Wohnhochhaus. Der Immobilienmarkt sieht das freilich etwas anders als der Makrosoziologe.

Schlechte Stimmung in der verdichteten Stadt? Heinz Bude stimmt den Kogress ein.

Werden Wohnhochhäuser Luxus bleiben?

Ja. Dafür sorgen allein schon die steigenden Bodenrichtwerte in den Schwarmstädten. Die Spekulation mit Bauland tut dann ihr übriges. Für Investoren ist das Wohnhochhaus indes sehr attraktiv, die Höhe macht das Gebäude rentabler. Je höher die Wohnung, desto höher der Quadratmeterpreis. Da wiegt die Rendite die höheren Baukosten auf. Anders als im sozialen Wohnungsbau, wo sich der Höhengewinn als Kostentreiber entpuppt.

Wenn das Wohnhochhaus aber nur als Renditeobjekt realisiert werden kann, dann wundert es auch nicht, wenn die ökonomischen Erwägungen die ästhetischen überragen. Jeder zusätzliche Zentimeter Nutzfläche kann vermarktet werden. Der Erker ist unter dieser Prämisse kein ästhetisches Element mehr, er dient lediglich dazu, die Wohnfläche zu vergrößern. Das Werk des Architekten wird so zur Ware, wie Markus Allmann feststellt. Und das Wohnhochhaus zur „safety deposit box in the sky“, so der Architekturkritiker Oliver Wainwright.

Oliver Wainwright auf dem Bauwelt-Kongress 2017.

Gewinnen die Wohnhochhäuser an Höhe?

Das sollten sie. Vor allem, weil vielen Städten Höhe durchaus gut zu Gesicht stünde. Mehr Mut und mehr Höhe forderte daher auch Dominique Perrault. Er schlug sogar vor, den Tour Montparnasse, den einzigen Wolkenkratzer von Paris, bei der anstehenden Umgestaltung noch zu erhöhen und mit Wohnungen und Hotel auszustatten. Auf diese Weise sollte eine vertikale Stadt entstehen, die besonders nachhaltig ist. Wer Großes erreichen will, sollte nicht zu klein denken. Aber eben auch nicht an Realisierung.

In der Realität sieht das nämlich so aus, dass sich die Gebäudehöhen aus Brandschutzvorschriften, Bauordnungen und ökonomischen Überlegungen ableiten. Das ästhetische Empfinden des Architekten muss sich hinten anstellen. So kommt es auch, dass die meisten Wohnhochhäuser in Deutschland mit Gebäudenhöhen um die 60 Meter laut Markus Allmann eher als „Pykniker“ daherkommen, mittelgroß und gedrungen. Wenn unser Auge entscheiden dürfte, würden wir wohl andere Proportionen wählen. Auf Schattenwurf und eventuelle Hochhausleitbilder müssten wir aber selbst dann Rücksicht nehmen.

Valley in Amsterdam von MVRDV.

Gibt es eine Renaissance der Wohnhochhäuser?

Die gibt es und die neuen Häuser machen vieles richtig. Mit öffentlichen Nutzungen, guten Anbindungen an die Stadt, Begegnungsmöglichkeiten der Bewohner, Durchmischung und vertikalen Gärten versuchen die Architekten die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden. Was ein Wohnhochhaus heute leisten muss, hat Kaye Geipel dankenswerterweise schon aufgeschrieben. Wie so ein Wohnhochhaus aussehen kann, zeigen beispielhaft das Büro MVRDV mit Valley in Amsterdam und Ole Scheeren mit The Interlace in Singapur (siehe Bild oben). Überhaupt hat Ole Scheeren auf dem diesjährigen Bauwelt Kongress schon Abschließendes zum Wohnhochaus gesagt: „Architektur sollte sich weniger an Wohntypologien als viel mehr am guten Leben orientieren.“ Fraglos richtig.

Der Beitrag Fünf Fragen an das Wohnhochhaus der Zukunft erschien zuerst auf Senkrechtstarter.


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